11.08.2020

Technokratische Qualitätsvorgaben ohne Berücksichtigung der Lebensqualität

Im Frühling schickte der Bundesrat zwei Vorlagen in die Vernehmlassung, die detaillierte Vorgaben zur «Qualität» in medizinischen Einrichtungen auf Verordnungsebene verankern wollen.

Die Vorgaben konzentrieren sich stark auf finanzielle und strukturelle Aspekte und lassen die Lebensqualität ausser Acht. Zudem greift der Bund mit den vorgeschlagenen Änderungen in die Kompetenz der Kantone ein, was zu unklaren Zuständigkeiten führt.

CURAVIVA Schweiz und senesuisse fordern eine Sistierung der beiden Vorlagen sowie die Ausarbeitung einer Gesamtsicht der Qualität als Grundlage für eine sinn- und wirkungsvolle Regulierung. CURAVIVA Schweiz und senesuisse begrüssen sinnvolle Regelungen zur Qualität in Institutionen. Allerdings muss der Hauptzweck immer das Wohl der Bewohnenden sein.

Die beiden Verbände bedauern, dass die zwei Revisionen der Krankenversicherungsverordnung (KVV) zur Weiterentwicklung der Planungskriterien sowie zur Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit, die der Bundesrat im Februar und Anfang März 2020 in die Vernehmlassung geschickt hat, diese Anforderungen nicht erfüllen. Beide Vorlagen sind von einem stark technokratischen Qualitätsbegriff geprägt und stellen Kosten, Sicherheit, Qualitätsmessungen und Prozesse in den Mittelpunkt. Die Lebensqualität der Betroffenen steht in beiden Vorlagen nicht im Fokus.

Eingriff in kantonale Kompetenzen

Ein weiterer Mangel der Vorlagen ist, dass sie die Komplexität der Regulierung und das Nebeneinander von Verantwortlichkeiten vergrössern. Aktuell erlassen die Kantone als Aufsichtsbehörden Qualitätsvorgaben. Zudem erheben die Pflegeinstitutionen, gestützt auf das Krankenversicherungsgesetz (KVG), seit 2019 medizinische Qualitätsindikatoren. Neu will der Bundesrat den Kantonen nun detaillierte Qualitätskriterien für eine Aufnahme in die kantonale Pflegeheimliste vorschreiben. Ebenfalls sollen die Verbände der Krankenversicherer und die Verbände der Leistungserbringer Verträge abschliessen, um die vom Bundesrat festgelegten Qualitätsziele und die Empfehlungen, welche die neue Eidgenössischen Qualitätskommission erarbeiten soll, umzusetzen. Alle diese Neuerungen gelten auch für Institutionen für Menschen mit Behinderung, die Pflegeleistungen über das KVG abrechnen. Damit greift der Bundesrat unnötigerweise in die heutige Kompetenz der Kantone ein, die (zusammen mit den Gemeinden) als Restfinanzierer und grosse Kostenträger die von ihnen bezahlten Qualitätsstandards und die Wirtschaftlichkeitskriterien festlegen.

Die vollständige Medienmitteilung von CURAVIVA Schweiz ist im Anhang. 

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